Abenteuerspielplatz Alpen
Publikumswirksame Attraktionen in den Allgäuer Alpen stoßen bei Umweltschützern und Einheimischen auf Widerstand
Von Hanna Spengler (epd)
Sie heißen "Skywalk", "Flying Fox" oder "Alpine Coasters". Alpine Tourismusattraktionen sorgen im Allgäu für Zündstoff. Während der Trend von der Fremdenverkehrs-Branche als Besuchermagnet beworben wird, äußern Umweltschützer und Einheimische harsche Kritik an dem "Bergzirkus". "Fahrgeschäfte haben in der freien Natur nichts zu suchen", sagt Steffen Reich vom Deutschen Alpenverein (DAV). "Wir lehnen Plattformen und Hängebrücken auf noch unverbauten Bergen ab."
Doch genau solche touristischen Prestigeprojekte sind im Ostallgäu auf dem 1.574 Meter hohen Nesselwanger Hausberg, der Alpspitze, geplant. Dort soll nach Angaben des DAV eine Aussichtsplattform mit einer 80 Meter langen Hängebrücke zum westlichen Nebengipfel gebaut werden. Ein sogenannter "Flying Fox", eine Seilrutschbahn, soll von der etwa 100 Höhenmeter tiefer gelegenen Bergstation der Seilbahn zur Mittelstation führen und für Nervenkitzel sorgen. Bisher ist der Alpspitzgipfel weitgehend unerschlossen. Lediglich ein Wanderweg führt von der Bergstation der Seilbahn hinauf.
Von Österreich über die Schweiz bis hin zu den bayerischen Alpen ist im Sommertourismus ein Trend zu immer spektakuläreren Attraktionen zu beobachten. In Garmisch-Partenkirchen wurde erst im Juli dieses Jahres rund 50 Meter oberhalb der Bergstation der dortigen Alpspitze die Aussichtsplattform "AlpspiX" eröffnet. In Scheidegg im Oberallgäu verspricht der "Skywalk Allgäu", ein 540 Meter langer barrierefreier Baumwipfelpfad in 30 Metern Höhe, "Naturerlebnis auf hohen Wegen".
Reich spricht von einem "Aufrüstungswettkampf". "Es geht darum, wer hat die längste Hängebrücke, wer den längsten Flying Fox." Der Flying Fox sei für viele Touristen jedoch ein "einmaliges, schnell abgenutztes, austauschbares Vergnügen". Die Fahrgeschäfte hätten mit dem bestehenden Naturraum nicht viel zu tun, kritisiert Reich. Einheimische warnen gar vor einem "Ausverkauf der Berge".
Der Nesselwanger Bürgermeister Franz Erhart (CSU) weist die Vorwürfe des DAV als haltlos zurück. Die geplanten Bauvorhaben auf der Alpspitze seien lediglich ein "visionäres Konzept", das mit dem ausdrücklichen Zusatz "naturverträglich" in Auftrag gegeben wurde. Erhart sieht in den neuen Attraktionen eine Chance für den Ferienort Nesselwang. Alleine mit einer schönen Aussicht sei der Gast nicht zufrieden..
Beim Bund Naturschutz (BN) sieht man den Trend zu Seilrutschbahnen, Hängebrücken und Plattformen als "Schritt in die falsche Richtung". Thomas Frey, BN-Regionalreferent für Schwaben, spricht im Nesselwanger Fall von einer "Möblierung der Alpspitze". Die Landschaft werde durch derartige Baumaßnahmen "nur als Kulisse für ein Event" genutzt". "Diese Erschließungen fördern keinen naturverträglichen Tourismus." Wie Frey betont, belegen zahlreiche Studien, dass die Schönheit, die Naturnähe und die Unverfälschtheit der Landschaft die wichtigsten Motive für einen Urlaub in der Alpen-Region seien.
Dass Einheimische sich erfolgreich in Planungsprozesse einklinken können, hat ein Bürgerentscheid Ende November in der Gemeinde Halblech (Ostallgäu) gezeigt. Dort stimmten bei einer hohen Wahlbeteiligung von 62,79 Prozent zwei Drittel gegen die Ganzjahres-Rodelbahn "Alpine-Coaster" und mehr als die Hälfte gegen ein Bergerlebniszentrum und gegen einen Waldseilgarten auf dem Buchenberg bei Buching. Im Vorfeld hatte die Interessengemeinschaft Buchenberg (IG) gegen den 2,6 Kilometer langen "Alpine Coaster" mobil gemacht und 880 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt.
Wie Herbert Ott von der IG-Buchenberg betont, sei man nicht generell gegen neue Ansätze im Tourismus. Die Realisierung des Alpine-Coasters auf bis zu fünf Meter hohen Stelzen hätte jedoch das Landschaftsbild des Hausbergs massiv verändert, den Lebensraum der Wildtiere gefährdet, Massen- und Tagestourismus auf Kosten der Natur nach sich gezogen und das Naturerlebnis der Wanderer gestört.
"Sanfter Tourismus sieht anders aus", sagt Herbert Ott von der IG-Buchenberg. Ein Alpine-Coaster sei nichts anderes als eine Achterbahn in den Bergen - "Gekreische inklusive." Gegen einen Vergnügungspark sei generell nichts einzuwenden, so Ott. Es sei jedoch nicht vermittelbar, warum ein solcher Rummel nicht im städtischen Raum oder in einem Gebiet mit Autobahnanbindung errichtet werde, sondern in einem bestehenden "Naturerlebnispark". (2313)